www.bankgesellschaft.de ---------------------------------------------------------- Pressemitteilung Sehr geehrte Damen und Herren, ERSTE HILFE IN SCHWERER ZEIT! Ein gemeinsame Aktion, ein kollektives Ereignis mit vielen Bekannten. Eine Veranstaltung des Rat für die Künste in Berlin Über eine ausführliche Berichterstattung würden wir uns Mit freundlichen Grüßen,
---------------------------------------------------------- Pressemitteilung BLUTBANK gründet BLUTBANK Stiftung 109 Blutkonserven entstanden während der Aktion BLUTBANK. "Erste Hilfe in schwerer Zeit" wollten am 27. Juni 2002 im Martin-Gropius-Bau mehrere Hundert Berliner Kunstschaffende leisten, die sich als Blut- und Trostspender zu einer bislang einzigartigen Geste des Gebens zusammenfanden. Zeitgleich zur Haushaltsdebatte im Abgeordnetenhaus gegenüber
ließen sie sich zur Ader. Das Blut kommt dem Institut für Transfusionsmedizin
der Charité zu Gute. Dazu kein Kommentar. Nunmehr muss der Auftrag der Spender auf andere Weise erfüllt
werden. Nächster Schritt ist die Gründung einer BLUTBANK
Stiftung. Roland Brus Detlev Schneider Weitere Informationen finden Sie unter www.blutbank-benefiz.de Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Roland Brus 030/ 4428659 0174/ 3127074 ---------------------------------------------------------- Berliner Morgenpost, 21.06.02 Die Kultur muss bluten für die Bankgesellschaft Dass Blut ein ganz besonderer Saft ist, wusste schon Mephisto. Und weil es bei dem als Haushaltslesung getarnten Aderlass im Abgeordnetenhaus nächsten Donnerstag um den Lebenssaft der Berliner Kultur geht, verwundert es kaum, dass der Rat der Künste keine andere Möglichkeit sieht, als mit dem Teufel einen Pakt zu schließen. In Berlin heißt der nicht Mephisto, sondern Bankgesellschaft; und so listig und lustig wie Goethes schwarzer Geselle ist er leider nicht. Aber Armut bringt die seltsamsten Freundschaften hervor: Weil die Not leidende Bankgesellschaft die Wurzel des Berliner Übels ist, haben sich die Kulturschaffenden zu einer großmütigen Geste entschlossen: Während drinnen die kulturelle Unterfinanzierung Gesetz wird, spenden sie draußen vor dem Abgeordnetenhaus Blut für die Bankgesellschaft. Selbst solche, die wie Joachim Sartorius den Berliner Haushaltslöchern glücklich entronnen sind, seit der Bund die Berliner Festspiele finanziert: «Mein Termin ist um 12.30 Uhr», erklärt der Kulturmananger und Lyriker solidarisch. «Die Bankgesellschaft hat die Berliner Kultur als Geisel genommen. Die Blutspende ist eine paradoxe Umkehr der tatsächlichen Verhältnisse. Das gefällt mir.» Ähnlich sieht es die Intendantin der Sophiensaele, Amelie Deuflhard. Sie hat im Rat der Künste die Aktion mitgeplant: «Es war eine Idee, die aus der Ohnmacht geboren wurde», sagt sie. «Seit Jahren sind wir durch die Kürzungen in eine passive Rolle gedrängt. Also drehen wir den Spieß um und besinnen uns auf das, was wir am besten können: eine ironische Kunstaktion.» Herbert Wiesner vom Literaturhaus wird drinnen und draußen zur Ader gelassen: 25 000 Euro muss sein Haus ab nächstem Jahr einsparen. Da kommt es auf einen halben Liter Blut für die Bankgesellschaft auch nicht mehr an. «Es ist ein Skandal, die ganze Stadt zum Bürgen für die Bankgesellschaft zu machen.» Viele weitere Kulturmacher von Nele Hertling (Hebbel Theater) über Bernd Wilms (Deutsches Theater) bis zu Jürgen Schitthelm (Schaubühne) und Hermann Beil (Berliner Ensemble) haben bereits ihre Teilnahme fest zugesagt: entweder als Blut-, Trost- oder Geldspender. Aufhalten wird man den Lauf der Dinge wohl nicht, aber Frank Schneider, der Intendant des Konzerthauses Berlin, hofft wenigstens zu zeigen, «dass die misslichen Entscheidungen der Verantwortlichen für das Desaster der Bankgesellschaft nicht einfach hingenommen werden können.» Das Konzept ist allerdings noch ausbaufähig: Wer für seine Spende etwas theatralische Nachhilfe braucht, könnte sich dann beispielsweise von blutrünstigen Experten wie Titus Andronicus (Hans Michael Rehberg), Richard II. (Michael Maertens) oder Macbeth (André Szymanski) beraten lassen. Ob zwei der bekanntesten Berliner Künstler, die Jongleure Klaus Landowsky und Wolfgang Rupf Blut, Trost oder von ihren üppigen Bezügen gar Geld spenden wollen, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen. Ansonsten gibt sich die Kultur solidarisch wie selten. Ein kurzes Ausscheren wie bei Wiesner («Bei uns spart man eh nur Kleckerbeträge. Eigentlich müsste man über eine Oper nachdenken») fällt da nicht weiter ins Gewicht. Wer hätte gedacht, dass in der Kultur noch so viel Blut steckt. www.blutbank-benefiz.de --------------------------------------------------------- Tagesspiegel, 27.6.02 Berliner spenden Blut für Bankgesellschaft --------------------------------------------------------- Berliner Zeitung, 27.06.02 TAGEBUCH Anamnese und Aderlass Haben Sie das 18. Lebensjahr vollendet und das 68. noch
nicht überschritten und wiegen Sie mindestens Während heute und morgen die Abgeordneten im Man darf sich freuen auf herrliche Fernsehbilder ermattet ---------------------------------------------------------- taz, 27.6.02 Blutopfer für die Politik ------------------------------------------------------------ FAZ, 28.6.02 Mark Siemons Diese allgemein übliche, selten freilich eingestandene Perspektive stellt die Dinge auf den Kopf. Aus ethnologischer Sicht ist die Kultur ja keineswegs ein Subsystem der Wirtschaft, sondern im Gegenteil gehört die Art und Weise des Wirtschaftens zur spezifischen "Kultur" einer Gesellschaft. Was eine Horde, einen Stamm, eine Stadt oder einen Staat ausmacht, ist deren Fähigkeit, die Voraussetzungen fürs Überleben zu schaffen - und dabei ist es unentscheidbar wie die Frage nach der Henne und dem Ei, was zuerst kommt: die unmittelbare Nahrungssuche oder das Bild, das der Mensch in den jeweiligen Konstellationen von sich entwirft und in seinen Schöpfungen bannt. Beides bedingt sich gegenseitig. Kultur, Wirtschaft, Stadt, Politik und Öffentlichkeit bilden erst zusammen eine Wirklichkeit. Zum Existenzkampf gehört die Kultur seit Urzeiten nicht weniger als Jagd und Ackerbau. Nur scheint sie das selber vergessen zu haben. Dem Ökonomismus der heutigen Zeit, den kulturelle Kreise so gern beklagen, entspricht der Kulturalismus: die Selbstgenügsamkeit eines Erlebnis- und Produktions-Milieus, das sich seiner Abhängigkeit vom ökonomischen Sektor unklar bewußt ist, ohne diese in irgendeiner Weise zu reflektieren und in die eigenen Arbeiten einfließen zu lassen. Mit Geld und den gewöhnlichen Existenzkämpfen der außer-kulturellen Welt will dieses Milieu möglichst wenig zu tun haben. Es gibt diese Abschottung gern als Widerstand aus, als Unbestechlichkeit gegenüber den Versuchungen der Affirmation, als Gebot moralischer Lauterkeit gar angesichts der Gefahren instrumentalisierender Fremdbestimmung. Tatsächlich gehen die bisher bekannten Verflechtungsversuche von Wirtschaft und Kultur meist von Wirtschaftsvertretern aus und bestätigen dabei das vertraute Gefälle von erster und zweiter Wirklichkeit. Am unverhohlensten ist das bei dem Versuch der Fall, der Kultur immerhin als "Wirtschaftsfaktor" eine Bedeutung beizumessen, die sie von sich aus offenbar nicht hat. Doch auch die gönnerhafte Rede von der Kultur als "Kompensation" der kalten Wirtschaftswelt sieht diese als bloße Funktion, als therapeutische Unterabteilung eines im Kern ökonomischen Betriebs. Ähnlich dient das Kultur-Sponsoring der gesellschaftlichen Legitimierung von Unternehmen. Gerade indem die Kultur vorgibt, sich diesem Spiel soweit als möglich zu verweigern, läßt sie sich auf es ein, da sie keinen eigenen Begriff von Ökonomie entwickelt. Auf diese Weise tritt sie der Welt bloß wie ein Lobbyistenverband unter anderen gegenüber, der sich von Bäderbetrieben und Reiterstaffeln nur unwesentlich unterscheidet. Die Kultur ist ein eigenes System, das immer irgendwie weiterläuft. In dieser Situation greift das Experiment, das wir heute erleben, auf die alte Tradition des Potlatsch zurück und sprengt damit die gewohnte Rollenzuweisung von Gebern und Empfängern. Der Potlatsch kehrt die Logik der Produktivität und Kapitalakkumulation, auf der vermeintlich alle Ökonomie beruht, um. Der Häuptling eines Stammes vernichtet freiwillig und ostentativ eigenen Besitz. Damit verpflichtet er aber die anderen Häuptlinge dazu, das gleiche zu tun, um ihr Gesicht und ihren gesellschaftlichen Rang zu wahren. Wer als erster opfert, erweist in dieser symbolischen Ökonomie also seine Überlegenheit und Souveränität, die das Gegenüber zur Reaktion zwingt. Die Gaben der Wirtschaft an die Kultur können auch auf diese Weise verstanden werden: Sie fordern von der Kultur die Bereitschaft ein, das Rollenspiel als ganzes nicht in Frage zu stellen. Und nun übernimmt die Kultur zum ersten Mal die Initiative und bringt der Wirtschaft ein Opfer dar, und zwar ausgerechnet jenem Repräsentanten der Wirtschaft, dessen auf weitgehend undurchschaubare Weise mit der Politik verbundenes Scheitern als Begründung dafür herhalten muß, daß die Kultur weniger öffentliches Geld erhält. Damit übernimmt die Kultur stellvertretend die persönliche Haftung für die Veruntreuung öffentlicher Gelder durch Politiker, die selber diese persönliche Haftung nicht übernehmen wollen. Was mit diesem Vorgang als erstes aufgehoben wird, ist das bequeme Sich-Einrichten in verantwortungsloser Abstraktion, zu dem die Ausdifferenzierung der Subsysteme Kultur, Wirtschaft, Politik führen kann. Das Blut, das die teilnehmenden Künstler spenden, kommt ja keinem Subsystem und dem daran hängenden Apparat an Funktionären zugute, sondern realen Menschen, die es brauchen. Die Aufwandsentschädigung dafür aber, öffentliches Geld, das über ein Subsystem verwaltet wird, wird der Öffentlichkeit über Abgeordnetenhaus und Bankgesellschaft zurückgegeben. Es wird, mit anderen Worten, für einen Moment so getan, als hingen Kultur, Wirtschaft und Politik wirklich zusammen, als arbeiteten Kulturmilieu, Abgeordnete und Bankgesellschaft gemeinsam am Wohl ihrer Stadt Berlin. Da jeder vom anderen weiß, daß er nichts als das Glück des Ganzen will, fängt die Bürgerselbstermächtigung dabei an, der Bankgesellschaft Berlin zu helfen, wo man nur kann. Unnötig zu sagen, daß dieser Potlatsch der persönlichen Haftung, mit der die Kultur heute in Vorlage geht, ein entsprechendes Opfer auf der Gegenseite erheischt. Es geht nicht um mehr Geld, es geht um Transparenz. Das ist eine politische Aufgabe, an der die symbolische Ökonomie der Kultur aber natürlich ihren Anteil hat. Die Kultur entdeckt ihre ursprüngliche Aufgabe wieder und rettet die Wirtschaft. ---------------------------------------------------------- Süddeutsche Zeitung, 28.6.02 Jeder Tropfen zählt Vorbildlich: Künstler spenden Blut für die Bankgesellschaft Mit 21,6 Milliarden Euro bürgt Berlin für die zukünftigen Risiken seiner Bankgesellschaft. Woher das Geld im Ernstfall kommen soll, weiß allerdings keiner so richtig. Jetzt gibt es eine erste Idee: Blutspenden. Schließlich wird für jede Konserve eine Aufwandsentschädigung von 20 Euro gezahlt. Wenn alle 3,4 Millionen Berliner ihre kompletten 5 Liter geben würden, kämen für Land und Bank immerhin 750 Millionen Euro zusammen. Den Anfang machten gestern 150 Berliner Kunst- und Kulturschaffende. Im großen Lichthof des Martin-Gropius-Baus (passenderweise gegenüber dem Abgeordnetenhaus, in dem zur selben Zeit eine weitere Kürzung des Kulturhaushalts verabschiedet wurde) stand ein Kreis aus acht Krankenhausbetten. Daneben wippten Beutel hin und her, die über dünne Schläuche mit Blut gefüllt wurden. Am anderen Ende der Schläuche hingen die Arme der Kulturszene, die sich zur Benefizaktion zusammengefunden hatte. Schmerzen teilen, wollen die Künstler, dieses Mal real-leiblich und nicht nur wie bisher finanziell. Blutbank heißt die Aktion, mit der der Rat der Künste aufgerufen hatte, Blut und Geld für das angeschlagene Finanzinstitut zu geben. Die immer schlimmer werdenden Sparzwänge werden ja von Politik und Verwaltung damit begründet, dass die Bankgesellschaft fast Pleite gegangen ist, erklärt Kurator Detlev Schneider. Wir haben das mit der Bank einmal wörtlich genommen und eine Veranstaltung gemacht, die zum einen Künstler zusammenführt und dabei ganz real das Defizit der Bankgesellschaft etwas reduziert. Eine ganze Reihe von bekannten Kulturschaffenden hatte sich bereits im Vorfeld angemeldet. Schaubühnenchef Jürgen Schitthelm wollte ebenso spenden wie der Intendant des Deutschen Theaters, Bernd Wilms. Bei der Blutbank geht es allerdings nicht mehr um Geld, das es nicht gibt, sondern um eine viel grundsätzlichere Diskussion über Kultur, Politik und Wirtschaft in der Hauptstadt. Wir fordern nicht Herrn Flierl auf, darum zu kämpfen, dass kein Euro für die Kunstbudgets verloren geht, sagte Schneider. Wir wollen ein Nachdenken darüber, was Kunst in dieser Gesellschaft sein kann und sein muss. Erst wenn man sich darüber im Klaren sei, könne man überlegen, wie Kunst in der Zukunft finanziert werden kann. Ein Gedanke, der auch den Maler Johannes Heisig überzeugt hat, der als einer der Ersten zur Ader gelassen wurde: Man ist geneigt so eine Aktion zu belächeln, sagt er während er mit einem Apfelsaft wieder Kraft tankt. Aber das ist eine ernste Angelegenheit: Dass man sich artikuliert gegen dieses Primat der Ökonomie. Veranstalter und Teilnehmer wünschen sich den offenen und von Einzelinteressen freien Diskurs, den der Rat der Künste bereits zum Amtsantritt des neuen Senats mit einem Forum Kultur anregte. Senator Flierl zeigte damals zunächst reges Interesse, um dann monatelang nichts mehr von sich hören zu lassen. Also werden die Kulturschaffenden wieder aktiv: Jetzt übernimmt die Kultur die Initiative und bringt der Wirtschaft ein Opfer dar, formulierte der FAZ-Feuilletonist Mark Siemons zur Eröffnung der Blutbank. Die Kultur entdeckt ihre eigentliche Aufgabe wieder und rettet die Wirtschaft. Ob die sich retten lassen will, ist noch ungewiss. Die Vorstände der Bankgesellschaft diskutieren, ob sie die Spende annehmen. Dankbarer ist der Leiter der Transfusionsmedizin in der Charité, Holger Kiesewetter: Wir freuen uns über jeden Tropfen. Bastian Schwarz ------------------------------------------------------------ weitere Pressemitteilungen >>>
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